Interaktionen von Leoparden und Tigern im Chitwan Nationalpark, Nepal

Dr. Charles McDougal war einer der bedeutendsten Tiger-Forscher und ersten Verfechter für ihren Schutz. Er hat in Anthropologie promoviert, aber seit 1961 die meiste Zeit im Reich von Tigern in Nepal und Indien verbracht.
Sein Artikel “Leopard and Tiger Interactions at Royal Chitwan National Park, Nepal” wurde zum ersten Mal im Jahre 1988 veröffentlicht und wird hier mit seiner freundlichen Genehmigung ungekürzt vorgestellt.

Frühere Studien im Park und dessen Umgebung haben eine hohe Leoparden-Sterblichkeit belegt. Geeignetes Habitat ist über längere Zeiträume nicht besetzt worden, was andeutet, dass die Population Schwierigkeiten hatte sich selbst zu ersetzen. Unter gewissen Umständen gelingt es Leoparden mit Tigern zu koexistieren, denen sie sozial untergeordnet sind. Trotzdem kommen Leoparden an einem Standort mit hoher Tiger-Dichte nicht häufig vor. Sie sind mehr am Rande des Parks verbreitet, eingeklemmt zwischen primärem Tiger-Habitat einerseits und Kulturflächen andererseits und abhängig von sowohl natürlicher Beute als auch von Haustieren. Tiger als auch Menschen tragen zur Sterblichkeit von Leoparden bei.

In einem Zeitraum von 21 Monaten wurden sechs tote Leoparden erfasst. Auch wenn alle Leoparden innerhalb von 7 qkm gefunden wurden, repräsentiert das nicht das gesamte Gebiet, das sie benutzt hatten. Fünf wurden von Tigern getötet; die Todesursache im sechsten Fall ist unbekannt. Im April 1986 wurden die Überreste eines subadulten männlichen etwa 18 Monate alten Leoparden in Salwald am Fuß von einigen Hügeln entdeckt. Wunden wiesen darauf hin, dass er von einem Tiger getötet worden war, dessen Spuren in der Nähe entdeckt wurden. Zwei Monate später wurde der verweste Kadaver eines großen Leoparden, vermutlich ein männlicher, in nahegelegenem Habitat in Flussnähe entdeckt; es war nicht möglich die Todesursache zu bestimmen.

Leopard im Chitwan National Park. Foto mit freundlicher Genehmigung von International Trust for Nature Conservation

Zehn Monate nachdem der erste Leopard getötet worden war, liefen eine Leopardin und ihre zwei kleinen Jungen einen Pfad im Grasland nahe dem Fluss Rapti am Rande des Parks entlang, wo sie auf eine Tigerin trafen. Letztere tötete die Leoparden-Mutter, schleifte ihren Körper 75 Meter und fraß alles außer dem Kopf und den Vorderpfoten.

Die beiden Jungen konnten entkommen, kamen aber in der folgenden Nacht zurück, in der die Tigerin sie fand und nicht weit von der Stelle entfernt tötete, wo sie deren Mutter gefressen hatte. Die jungen Leoparden wurden sieben Meter voneinander entfernt entdeckt; die zwei kleinen (sechs Monate alten) Jungen der Tigerin hatten sie in entgegengesetzte Richtungen geschleift. Die Schädel von beiden, das eine ein männliches und das andere ein weibliches Tier, die je 5,7 und 5,2 Kilogramm wogen, waren zerschmettert; ihre Körper waren intakt bis auf etwa ein halbes Kilogramm Fleisch, das die Tiger-Jungen von den Hintervierteln beider Tiere gefressen hatten; der Schwanz eines Tieres fehlte auch.

In den folgenden 11 Monaten ist das residente Weibchen nicht ersetzt worden, und ein großer männlicher Leopard benutzte das Gebiet zeitweilig. Im Januar 1988 wurden seine 4-5 Tage alten Überreste in einem Stück teilweise verbrannten Grases entdeckt. Reißzahn-Punkturen im Genick, dessen Wirbel zertrümmert waren, sowohl Wunden auf dem Rücken ließen keinen Zweifel, dass er von einem Tiger getötet worden war, sehr wahrscheinlich von einem ausgewachsenen weiblichen Tier.

Zwei Faktoren scheinen die Vernichtung von so vielen Leoparden durch Tiger innerhalb einer kurzen Zeitspanne in einem Gebiet zu beeinflussen. Erstens haben der erfolgreiche Schutz und gutes Management im Anschluss an die Park-Gründung im Jahre 1973 zu einer Zunahme der Beute-Grundlage und einem entsprechenden Anstieg der Tiger-Dichte geführt. Auf einer Fläche von knapp 100 qkm im Westen Chitwans, einschließlich des kleineren Gebietes, wo die Leoparden-Sterblichkeit erfasst wurde, hat sich die Anzahl von residenten sich fortpflanzenden erwachsenen Tigern in den 11 Jahren von 1976 bis 1987 von vier auf acht verdoppelt. Zweitens steht in diesem Sektor sehr wenig peripheres Habitat für Leoparden zur Verfügung. Während der Siedlungsdruck innerhalb des Parks durch Schutzmaßnahmen weitgehend eliminiert worden ist, hat er außerhalb zugenommen mit dem Ergebnis, dass angrenzender Forst und Buschgelände abgeholzt wurden. Jetzt liegt dem primären Tiger-Habitat auf einer Seite des Flusses Rapti, der Parkgrenze, offenes Terrain mit wenig Deckung auf der anderen Seite gegenüber. Diese Faktoren haben offensichtlich die Wahrscheinlichkeit der Konfrontation zwischen Tigern und Leoparden erhöht.